Gereimtes und Ungereimtes 1




Am See

Aus der Tiefe zieht der Morgen
graue Schleier übers Land,
wie gewebt von Geisterhand.
Und noch neblig und verborgen
lauscht im Hintergrund der Hain
in den neuen Tag hinein.

Blind, noch birgt der See sein Sehnen
nach dem blauen Himmelslicht.
Durch die Morgenstille bricht
schrilles Rufen. Und den Schwänen
öffnet wohl gesonnt, noch bleich,
sich ihr spiegelglattes Reich.

©Lisa Nicolis
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Barfuß

Oh, wieder
frühlingsstille Gräser streifen,
mit nackten Füßen
 kühle Heimat suchen,
wenn bunte Blüten hin zu Früchte reifen
in den Akkazien, Kastanien, Buchen.

Den Tau des Morgens
 in den Poren spüren,
die Sorgen
in den Blütenstaub vertreuen
und lassen sich von lauen Lüften führen
und sich des einmaligen Lebens freuen.

©Lisa Nicolis
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Antriebslos

Immer wieder
diese offenen Türen,
die lockende
Lämmerwolke im Blau,
der Duft
der lebendigen Straße…
Und immer wieder
die hohe Schwelle
in meinem Kopf,
in meiner Blutbahn,
in den Augen
der Unverständigen.
Zweimal
um den Häuserblock gehen.
„Lange nicht gesehen,
Frau Nachbarin.“
Wem soll ich beweisen,
dass ich es kann?
Der Lämmerwolke
ist es egal.

©Lisa Nicolis
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aus-WEG-los

mein Wille verblutet
an Wandschweigen
bricht jeder Traum sich
die Flügel

kein Weg reicht
 aus mir
gebrochen
mein Sehnen nach Leben
schreit
so fliehe doch
so flieh

sollte ich
einen Lichtstrahl
noch mal durchschreiten
trage ich
die dunklen Spuren
meiner Schritte
 weiter in mir

©Lisa Nicolis
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In der Puszta

In die Stille eingebettet
wiegen sich die goldnen Ähren
und am Fluss, an Pfahl gekettet,
schaukeln gluchzend alte Fähren.

Kornblumen sich blau verirren
in der Halme sonn’gen Schimmer
und Libellen friedlich schwirren
durch des Mittags Lichtgeflimmer.

In der Schwüle, ganz benommen,
gähnt der Mohn in müden Flammen.
In der Ferne, leicht verschwommen,
fließen Himmel, Erd’ zusammen.

Überm Fluss dringt leises Lachen
und verliert sich in den Weiden,
die den Steg kühl überdachen,
wie im ewiglichen Leiden.

”Böser Mann! Bist du durchtrieben!
Sollst das Boot ans Ufer bringen!”
”Wenn wir uns dort feurig lieben,
könnt die Glut das Land verschlingen!”

©Lisa Nicolis
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Ich muss mich neu erfinden

Ich war dir Nacht,
du warst in mir geborgen.
Ich war dir Tag,
in den du wiederkehrtest.
Ich war dir Licht
an jedem neuen Morgen,
an dem du mich
mit Veilchenblick beschertest.

Und war dir Wind
in deinen straffen Segeln,
und war dem Boot
zu deinem Hafen Strömung.
Ich war Garant
für ungeschriebne Regeln.
Für trübe Stunden
war ich die Versöhnung.

Ich muss mich neu erfinden,
neu gestalten.
Ich bin nicht Gott,
ich kann dich nicht mehr tragen.
Dein Veilchenblick wird mich
jetzt nicht mehr halten...
Ich werd die Flucht
aus deinem Gleichmut wagen.

©Lisa Nicolis
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ausmisten müsst ich

wie Disteln wuchern
Gedankenpfeile
in meiner schon
grasgrünen Seele
Staub des Vergessens
streute ich über Gelebtes
bin auf dem
einsamen Weg
zum noch Namenlosen

so viel Gerümpel dahin
unter anderem
dein Bild gepuzzelt
aus Traumfetzen
steht überall
es steht
weil meine Seelenfäden
es halten

wenn ich
sie entferne
zerfällst du und
liegst nur
sinnlos herum

die Gravitation
lässt nicht zu
dass ich deine Scherben auf die
Milchstrasse fege

©Lisa Nicolis
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Welten

blumige Wiesen
waren sie
die Tage damals
und rosige Welten
und trugen
Namen wie Sterne
Liebe hießen sie
und hießen Sehnsucht
und hießen Verlangen
du nanntest sie
Montag, Dienstag,
Mittwoch…

©Lisa Nicolis
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deins, meins, unser

versuchen werd ich immer wieder
aus deinem Leben
in das meine
zu entkommen
doch führen meine Wege
über deine Wege
in unser Leben
ich weiß nicht
wie man die Fesseln
die uns einen
löst

©Lisa Nicolis
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Der alte Leuchtturm

In meinem Winter steht die Einsamkeit,
in ihren Augen blinken fahle Lichter,
ein Nebel zieht gespenstisch küstenweit
den Vorhang vor die Fernen immer dichter.

Kein Weg läuft zu mir hin, es ruht die Zeit
verschlummert in dem blinden kalten Schweigen.
Nur meine Träume sind so licht und weit
und knospeln noch in allen Lebenszweigen.

Ich träum mich weg von mir und träum mich wach
und bin ein Kind in Licht und Duft bekleidet
und eile allen blauen Fernen nach,
dass mich der Wind in seinem Flug beneidet.

Wenn mich der winterkalte Hauch sodann
berührt, bin ich der Leuchtturm ohne Lichter
und schau ich mich im Seelenspiegel an,
dann seh ich meine steinalten Gesichter.

©Lisa Nicolis
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Der Pfad

Auf den öden Stoppelfeldern
liegt der Himmel grau verschleiert,
ruht gespenstisch auf den Wäldern,
drin sich Schweigen dunstig feiert.

Kühle Finger dunkler Mächte
löschen früh die letzten Strahlen,
und im Mantel langer Nächte
wird der Herbst das Land bemalen

Dicht entlang der dorn’gen Schlehen
will ein Pfad, schon nachtverhangen,
durch das Dunkel irregehen,
in vergessener Spur gefangen.

Irgendwo wird er dann enden.
Käutzchenruf wird ihn umschwingen.
Morgen wird er schlängelnd wenden
und sich taghell wiederbringen.

©Lisa Nicolis
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Vorweihnacht

ein Knistern
liegt in den
verbognen Gassen
der Tag träumt müd
schon Lichter
vor sich hin
und dunkelt
in versteckten Ecken
 Heimatlose
und deckt sie zu
mit einem kühlen Abend

©Lisa Nicolis
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Neue Heimat

Auf keiner der Straßen
kann ich mich finden.
Auf keinem der Plätze bin ich zu Haus.
In  keinem Gesicht
erkenn ich mich wieder.
In keinem Erwachen erkenn ich denn Sinn.
In keinem der Worte
empfind ich mein Denken.
Und keine der Sprachen erklärt mir das Sein.
In keiner Jahreszeit
bin ich geborgen,
 eingeschlossen in keinem Gebet.
Am Meldeamt,
im Computer- mein Name.
Also bin ich.

©Lisa Nicolis
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Die Alte

Müde Schritte,
schleichender Wille,
das Schicksal zu erzwingen,
ein Stück
des breitgetret’nen Lebenspfades,
zum Ende hin,
noch nicht zu kappen.

Trotziger Blick.
Es rattert lebensmüde schon
der Einkaufswagen.
Zwei Pfund Kartoffel
reichen als Motiv,
den Kampf um ihre irdische Präsenz,
so leicht nicht aufzugeben.

Sie trotzt dem frost’gen Tag,
den kalten Nächten,
der Angst, allein zu sein.
Mit ihrem alten Hut,
dem dünnen Mantel
ringt sie verbissen
ums Quäntchen Dasein.

Und eiskalt fegt der Wind
durch diese Straße.

©Lisa Nicolis
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Am Golf von Genua

Drang durchs Fenster, viele Tage lang,
nur ein Wolkendüster aus den Fernen,
liegt im Blau des Meers mit Silberklang
wellenweit erneut ein Meer von Sternen.

Segel taumeln weit auf dem Türkis,
wie ein Traum, den blaue Winde träumen,
der die Schönheit in die Seele ließ,
während Wogen in den Klippen schäumen.

Mit dem sonn’gen Glanz auf weitem Rund
warm verschweigt es seine kühlen Tiefen.
Möwen schreien mir die Seele wund,
seit sie mich zum Abschiednehmen riefen.

Oh, wie weit muss meine Seele sein,
wenn ich dies in meinen Alltag trage.
Wie das Leuchten hier im Sonnenschein,
wo ich klagend nun Adio sage.

©Lisa Nicolis
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Auf Capri

Ich stehe hier gebannt und tief berührt
und glaube innigst, nur ein Gott hat mich
zur Schönheit dieses Augenblicks geführt.
Ein Gott nur werkt so schön und meisterlich.

Die Felsenlandschaft, sonnenlichtgefüllt,
aus Wellen sich erhebt zum Märchenreich,
von tief azurnem Strahlen eingehüllt
und süßlich zarten Düften edensgleich.

Von meinem Herz der klare Himmel reicht
bis tief hinein in die Unendlichkeit.
Sein Blau ins Naß des weiten Meeres schleicht
und leiht ihm Funken seiner Göttlichkeit.

So bilderreich beschenkt mich die Natur!
Ich fühle, Kraft entströmt aus jedem Stein.
Entfachst in mir nur Lebensfreude pur,
du, Capri, Paradieses Widerschein.

©Lisa Nicolis
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Enttäuschung

Kleinschlafen möchte ich mich,
blattgrün mich betten,
unter Baumgreisen mich verstecken
und erdennah die jungen Düfte
sommerlang atmen.

Fernschlafen möchte ich,
menschenfern mich verliegen
unter schattigen Armen,
nur noch sonnenlang,
vielleicht nur noch heute.

Auch so,
in voller Größe
wird mich eh keiner suchen.
Nur ich finde mich wieder,
hineinerwacht
in meinen alten Schmerz.

©Lisa Nicolis
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Schlaflosigkeit

Ich öffne die Augen
und schaue blind
in die Schlaflosigkeit der Nacht,
höre die Blutstimme
in meinem Kopf,
während ich mir selbst
Geschichten erzähle
und warte auf den Schlaf,
der vielleicht am Fuß,
der kalt aus der Decke hängt,
emporkriecht
oder vielleicht
über den Klang
der ausgeschlafenen Stimmen kommt,
die sich bald
unter meinem Fenster
einen schönen guten Morgen
wünschen.

©Lisa Nicolis
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Der Baum

Ich sah den Wind die weißen Schleier weben
und auch der Wolken schweres dunkles Tuch.
Einst schenkte mir sein Treiben Lust zum Leben,
sein Toben aber wurde mir zum Fluch.

Er war mir Freund, der Wind, er war Vertrauter,
er war mir Gast, beschwingt und liebenswert.
Doch eines Tages wurd er stürmisch, lauter
und fällte mich mit seinem Feuerschwert.

In meinen Träumen rauscht an meinen Zweigen
noch immer Frühlingswind in meinem Laub.
Doch lieg ich jetzt in einem See von Schweigen.
Am Ufer meine Krone mehrt den Staub.

©Lisa Nicolis
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Der Abend

Ist er Fama aus der Götter Bläue,
Sternenregen übers weite All?
Ist er wiederholte Erdentreue,
Truggebilde nur im freien Fall?

Ist er Sehnsucht nach der Rast vom Leben,
ist er Ruh, vor was uns noch geschieht,
gar Belohnung für ein fraglich Streben,
nur ein Schatten, der vorüberzieht?

Ist er einer dieser dunklen Ringe,
der sich prägend auf das Leben legt?
Oder nur ein simpler Rausch der Dinge,
der das Jetzt in stumme Ketten legt?


©Lisa Nicolis
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Wüstenwind

du kämmst ungerufen
durch meine Gedanken
heißer Wüstenwind
mich wie Sand
durcheinander wirbelnd
wenn du dich
legst und schweigst
schweigt auch
die Öde in mir

©Lisa Nicolis
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gefangen

die Sonne grüßt
aus Nachbars Scheiben
blitzen Lichter
wieder nur indirekt
strahlt der Tag
in mein Dunkel
ein heller Fleck am Teppich
gehört mir eine Stunde lang
die Illusion
es ist Frühling
wie oft noch
hinter grauen Wänden
bis mich die Ewigkeit erlöst

©Lisa Nicolis
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aufgelebt

Gelebtes lebt
sich unter meine Haut
Gefühlstektonien in Moll
womit der Geist intakt
den Aufbau meines Untergangs
penibel registrieren kann
noch passt die Welt
in meine Augen
doch hat sie mich
zum Großteil aufgelebt
und liegt wie
trockne Erde
um meine alterslose Seele

©Lisa Nicolis
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knietief

knietief versunken
in Herzensprobleme
die dir zum
Hals heraushängen
Schmetterlingsleichen
im Bauch
ich rate dir
halte den
Kopf frei

©Lisa Nicolis
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Frühlingswind

Um des Abends hin
ein wenig Lied zu sein,
greift der Wind sich
dunkles Blätterrauschen,
singt sich frühlingslau
ins tiefe Schilf hinein,
Mondscheinplätschern
in dem See zu lauschen.

Schwingt sich auf den Silberstrahl
des Abends sacht,
während träumend
hinter alten Mauern
noch ein Kirschbaum
still und duftgeladen wacht,
ihn berauscht
mit seinen Blütenschauern.

Als er bald sich satt
mit tausend Düften trinkt,
nur noch müd
auf  leisen Silbersohlen,
hin zur Sternenwelt
sein Abschiedssäuseln winkt,
lässt er sich vom Abend
heimwärts holen.

©Lisa Nicolis
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Worte

Dein Sommer war in jedem Wort verborgen,
du hülltest mich in bunte Silbenblüten,
es gab ein jetzt, kein gestern und kein morgen,
von deinem Wortwall ließ ich mich umhüten.

In Wörternächten gab es Silbenrieseln,
ein Rosarotes schon im Morgengrauen,
es war so schön im warmen Wörternieseln
in meinem blumenbunten Wortvertrauen.

Nun ist es Herbst. Schon treiben müde Silben
im Fluss der Zeit wie überwelkes Hoffen,
in deinen Worten liegt schon ein Vergilben,
der Wall nach allen Seiten- sprachlos offen.

Verstreu im Winde deine hohlen Worte
vielleicht bleibt eins im spinnverwebten Laube
vergessnen Sommers hängen, wie umflorte
Erinnerung mit süßer Silbentraube.

©Lisa Nicolis
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  ~Onlinespiele~